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Gut schreiben 8 - das vierseitige Modell der Kommunikation

Wie lässt sich Friedemann Schulz von Thuns Konzept der Kommunikation…

…auf geschriebene Texte übertragen?

 

Kann das vierseitige Kommunikationsmodell auch über direkte Gesprächssituationen hinaus auf wissenschaftliche, essayistische oder literarische Texte übertragen werden und bietet es Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit der Leserschaft für diese Texte zu erhöhen?

 

Das Modell der vier Seiten einer Nachricht oder der „vierseitigen Kommunikation“ des Hamburger Psychologen Friedemann Schulz von Thun scheint sich in erster Linie auf Gesprächssituationen und weniger auf schriftliche Kommunikation zu beziehen. Es beinhaltet, dass Botschaften nicht nur Sachaussagen enthalten, sondern auch Selbstoffenbarungen des Senders oder der Senderin und Appelle an die Empfänger. Damit einhergehend erzeugen diese Kommunikationsakte direkte oder indirekte soziale Beziehungen.

 

Auch geschriebene Texte schaffen soziale Beziehungen, indem sie versuchen, gegenüber den Lesern autoritativ oder möglicherweise einschmeichelnd aufzutreten oder vorsichtig Fehler und Missverständnisse vermeiden wollen. Aber von tatsächlichen sozialen Interaktionen wie im Gespräch, das immer eine reale Begegnung darstellt, kann hier keine Rede sein.

 

Dennoch können Autoren die Qualität ihrer zu Schrift gebrachten Texte verbessern, wenn sie das Kommunikationsmodell Schulz von Thuns im Blick behalten. Da wäre beispielsweise Betriebsblindheit zu vermeiden, der v. a. Autoren ausgesetzt sind, die sachliche, (vermeintlich) rein auf den Informationsgehalt ausgerichtete Texte verfassen. Solche Schreiberinnen und Schreiber vernachlässigen oft die Verständlichkeit der Sachaussage, weil sie zu wenig an die Leserinnen und Leser denken und wundern sich, warum ihre Botschaften nicht „ankommen“.

 

Ein weiterer Aspekt betrifft den Akt der Selbstoffenbarung, an dem auch die Verfasser schriftlicher Texte nicht vorbeikommen. Im Gegenteil gewinnt man manchmal den Eindruck, dass sie besonders gerne Fassaden benutzen, weil Schreiberinnen und Schreiber lange genug Zeit haben, nachzugrübeln, ob und wie man auf Empfängerseite ihren wahren Absichten oder Gefühlen auf die Spur kommt.

 

Häufig sind solche Manöver durchschaubar, weshalb sie vermieden werden sollten. Hier ist zu bedenken, dass gerade Autorinnen und Autoren mit schriftstellerischen Fähigkeiten es verstehen, mit diesem Kriterium zu spielen, indem sie in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Dann arbeiten sie bewusst mit dem Problem der Selbstoffenbarung und sind auf diese Weise wiederum authentisch. Unglaubwürdig werden sie nur dann, wenn sie ihr Publikum täuschen wollen, und dabei weder reflektiert noch selbstkritisch vorgehen – man spürt die Absicht und man ist verstimmt.

 

Wichtig ist zu verstehen, dass die vier Seiten der Kommunikation – Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehungsebene und Appell – in einem wechselseitigen Verhältnis stehen. Beispielsweise ist ein Appell normalerweise eine Beziehungshandlung. Ein Text, der in geschriebener Form vorliegt, erscheint mir dann als besonders qualitätvoll, wenn er die vier Dimensionen der Kommunikation kennt und geschickt miteinander verschränkt. Etwa kann man die Leserinnen und Leser in eine produktive Verwirrung setzen, indem man den Unterschied zwischen Selbstoffenbarung und Appell verwischt. So erscheint es mir als eine besondere Herausforderung der schriftstellerischen Kreativität, einen Appell gegenüber der Leserschaft als Selbstoffenbarung zu camouflieren und als reizvolle Aufgabe für Leserinnen und Leser, einen solchen Hintersinn zu enttarnen.

 

Friedemann Schulz von Thun, Psychologische Vorgänge in der menschlichen Kommunikation. In: Bernd Fittkau, Hans-Martin Müller-Wolf, Friedemann Schulz von Thun (Hg.), Kommunizieren lernen (und umlernen). Trainingskonzeptionen und Erfahrungen, Aachen 1989, S. 9-100.

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Kommentare: 1
  • #1

    Angelika (Freitag, 28 Februar 2025)

    Habe Ihnen eine PN geschrieben
    Bitte Rückmeldung
    danke